1787 – 1862
Du, den wir suchen auf so
finstern Wegen,
Mit forschenden Gedanken nicht
erfassen,
Du hast dein heilig Dunkel
einst verlassen
Und tratest sichtbar deinem
Volk entgegen.
Welch süßes Heil, dein Bild
sich einzuprägen,
Die Worte deines Mundes
aufzufassen!
O selig, die an deinem Mahle
saßen!
O selig, der an deiner Brust
gelegen!
Drum war es auch kein
seltsames Gelüste,
Wenn Pilger ohne Zahl vom
Strande stießen,
Wenn Heere kämpften an der
fernsten Küste:
Nur um an deinem Grabe noch zu
beten
Und um in frommer Inbrunst
noch zu küssen
Die heil’ge Erde, die dein Fuß
betreten.
1787 – 1862
Die ihr mit scharfen Nasen
ausgewittert
Viel höchst gefährlicher,
geheimer Bünde,
Vergönnt mir, daß ich einen
euch verkünde,
Vor dem ihr wohl bis heute
nicht gezittert!
Ich kenne, was das Leben so
verbittert,
Die arge Pest, die
weitvererbte Sünde:
Die Sehnsucht, daß ein
Deutschland sich begründe,
Gesetzlich frei, volkskräftig,
unzersplittert;
Doch andres weiß ich, und
vernehmt ihr’s gerne,
So will ich einen mächt’gen
Bund verraten,
Der sich in stillen Nächten
ausgesponnen:
Es ist der große Bund
zahlloser Sterne,
Und wie mir Späher jüngst zu
wissen taten,
So steckt dahinter selbst das Licht der Sonnen.
1787 – 1862
Du jagtest, freund, nach
mannigfachem Wissen,
Ein rascher Wandrer auf
Norddeutschlands Wegen,
Du triebst dich um, wie
Musenjünger flegen,
Und hast darob der Strümpfe
viel zerrissen:
Indes, bewahrt vor allen
Kümmernissen,
Dies Sockenpaar in meinem
Schrank gelegen;
Der Zukunft harrt es
ahnungsvoll entgegen
Und schien mir deinen teuern
Fuß zu missen.
O segnet euer Teil, beglückte
Socken!
Nicht geht es fortan durch
Gebirg und Sümpfe,
Auf Heimatfluren wallt ihr
weich und trocken,
Ihr wandelt sachten Tritts auf
Kanzeltreppen,
Und trifft auch euch das ew’ge
Los der Strümpfe,
So wird euch eine junge Hausfrau
steppen
1787 – 1862
Es war in traurigen
Novembertagen,
Ich war gewallt zum stillen
Tannenhaine
Und stand gelehnet an der
höchsten eine,
Da hielt ich deine Lieder
aufgeschlagen.
Versunken war ich in die
frommen Sagen:
Bald kniet’ ich vor Sankt
Albans Wundersteine,
Bald schaut’ ich Regiswind im
Rosenscheine,
Bald sah ich Helecenas Münster
ragen.
Welch lieblich Wunder wirkten
deine Lieder!
Die Höh’ erschien in goldnem
Maienstrahle
Und Frühlingsduft ertönte
durch die Wipfel.
Doch bald verschwand der
Wunderfrühling wieder,
Er durfte nicht sich senken in
die Tale
Im Flug streift er nur der
Erde Gipfel.
1787 – 1862
Wenn du von Laura Wahres hast
gesungen,
Von hehrem Blick, von
himmlischer Gebärde: -
Und ferne sei, daß angefochten
werde,
Was dir das innerste Gemüt
durchdrungen! –
War sie ein Zweig, im Paradies
entsprungen,
Ein Engel in der irdischen
Beschwerde,
Ein zarter Fremdling auf der
rauhen Erde,
Der bald zur Heimat sich
zurückgeschwungen:
So fürcht ich, daß auch auf
dem goldnen Sterne,
Wohin du, ein Verklärter, nun
gekommen,
Du nimmer das Ersehnte wirst
erringen;
Denn jene flog indes zur
höhern Ferne,
Sie ward in heil’gern Sphären
aufgenommen,
Und wieder mußt du Liebesklage
singen.
1787 – 1862
I.
In dieser Zeit, so reich an
schönem Streben,
An Heldentod in frühen
Jugendtagen,
Ward dir’s nicht, auf dem
Siegesfeld erschlagen,
Den heil’gen Eichenkranz dir
zu erwerben;
Beschleichend Fieber brachte
dir Verderben,
Du wurdest bei der Eltern
Weheklagen
Aus deinem Heimathause hingetragen
Zur Stätte, die nicht Blut,
nur Blumen färben.
Doch nein, auch dich ergriff
die Zeit des Ruhmes,
Dich drängt’ es, eine
Herrmannsschlacht zu schaffen,
Ein sinnig Denkmal deutschen
Heldentumes.
Wohl hörtest du noch scheidend
Kampfruf schallen,
Es wogt’ um dich von Männern,
Rossen, Waffen;
So bist du in der
Hermannsschlacht gefallen.
II.
Nach Hohem, Würd’gem nur hast
du gerungen,
Das Kleinliche verschmähend
wie das Wilde;
So faßest du in kräftige
Gebilde
Das wundervolle Lied der
Nibelungen.
Schon hatte Hagens Größe dich
durchdrungen,
Schon stand vor dir die
Rächerin Chriemhilde,
Vor allem aber rührte dich die
Milde
Des edlen Sifrids, Giselhers,
des jungen.
Mit Fug ward Giselher von dir
beklages,
Der blühend hinsank in des
Kampfs Bedrängnis;
Dich selbst hat nun so früher
Tod erjaget.
Warst du vielleicht zu innig
schon versunken
In jenes Lied, des
furchtbaresw Verhängnis
Zum Tode jedem, nun auch dir,
gewunken?
III.
Bedeutungsvoll hast du dein
Künstlerleben
Mit jenem frommen, stillen
Bild geschlossen:
Wie Abraham mit seines Stamms
Genossen
Das Land begrüßt, das ihm der
Herr gegeben.
Da lehnten sie auf ihren
Wanderstäben,
Von Wald und Felsenhang noch
halb umschlossen,
Doch herrlich sehn sie unter
sich ergossen
Das weite Land voll Kornes und
voll Reben.
So bist auch du nun,
abgeschiedne Seele,
Aus dieses Erdenlebens rauher
Wilde
An deiner Wandrung frohes Ziel
gekommen;
Und durch das finstre Tor der
Grabeshöhle
Erblickst du schon die seligen
Gefilde,
Das himmlische Verheißungsland der Frommen.
1787 – 1862
Wenn Sträuchern, Blumen manche
Deutung eigen,
Wenn in den Rosen Liebe sich
entzündet,
Vergißmeinnicht im Namen schon
sich kündet,
Lorbeere Ruhm, Zypressen
Trauer zeigen;
Wenn, wo die andern Zeichen
alle schweigen,
Man doch in Farben zarten Sinn
ergründet,
Wenn Stolz und Neid dem Gelben
sich verbündet,
Wenn Hoffnung flattert in den
grünen Zweigen:
So brach ich wohl mit Grund in
meinem Garten
Die Blumen aller Farben, aller
Arten,
Und bring’ sie dir, zu wildem
Strauß gereihet:
Dir ist ja meine Lust, mein
Hoffen, Leiden,
Mein Lieben, meine Treu’, mein
Ruhm, mein Neiden,
Dir ist mein Leben, dir mein Tod geweihet.
1787 – 1862
Bedächten wir, verliebte
Kunstgesellen,
An wen wir unsre Liebeslieder
richten,
Das könnt’ uns allen Liedermut
zernichten,
Das möcht’ uns allen Minnesang
vergällen.
Was wissen Mädchen von
kastal’schen Quellen?
Verzeihn sie doch dem Dichter
kaum das Dichten;
Und zehnmal lieber sind mir
noch die Schlichten,
Als jene, die empfindungsreich
sich stellen.
Was seh’ ich? teure Brüder,
welch Ergrimmen!
Wollt ihr mit Flammenblicken
mich verzehren?
Nein, edle Sänger, laßt euch
nicht verstimmen!
Laßt immerfort die Saiten süß
ertönen!
Die Welt sollt ihr mit
Liedesklang verklären,
Verklärt denn auch die sogenannten Schönen!
1787 – 1862
Was je mir spielt’ um Sinnen
und Gemüte
Von frischem Grün, von kühlen
Dämmerungen,
Das hat noch eben mich
bedeckt, umschlungen,
Als eines Maienwaldes
Lustgebiete.
Was je in Traum und Wachen
mich umglühte
Von Blumenschein, von Knospen,
kaum gesprungen,
Das kam durch die Gebüsche
hergedrungen,
Als leichte Jägerin, des
Waldes Blüte.
Sie floh dahin, ich eilte
nach, mit Flehen,
Bald hätten meine Arme sie
gebunen,
Da mußte schnell der
Morgentraum verwehen.
O Schicksal, das mir selbst
nicht Hoffnung gönnte!
Mir ist die Schönste nicht
allein verschwunden,
Der Wald sogar, drin ich sie
suchen könnte.
1787 – 1862
Der du noch jüngst von deinem
krit’schen Stuhle
Uns arme Sonettisten
abgehudelt,
Der du von Gift und Galle
recht gesprudelt
Und uns verflucht zum tiefsten
Höllenpfuhle:
Du reines Hermelin der alten
Schule,
Wie hast du nun dein weißes
Fell besudelt!
Ja! ein Sonettlein hast du
selbst gedudelt,
Ein schnalzend Seufzerlein an
deine Buhle.
Hast du den selbstgesteckten
Warnungszeichen,
Hast du, was halb mit Spott
und halb mit Knirschen
Altmeister Voß gepredigt, all
vergessen?
Fürwahr! du bist dem Lehrer zu
vergleichen,
Der seinen Zögling ob
gestohlnen Kirschen
Ausschalt und scheltend selber
sie gefressen.
1787 – 1862
Vernimm, was vom Sonett ich
weiß und glaube!
Zu Kränzen sah ich Blumen,
Zweige schlingen,
Wohl künstlich, doch es zeigte
sich das Zwingen,
Hier sprang ein Blümchen ab,
dort fielen Laube.
Dann sah ich Ranken, strebend
aus dem Staube,
Sie suchten selber mit den
freien Ringen
Die Säule, sich als Kränze
drum zu schwingen.
Umsonst! den Winden wurden sie
zum Raube.
So sah ich Lieder als Sonette
starren,
Sonettgedanken dann zum Lied
zerflossen,
Das Rechte trafen wenige
Geweihte.
Metall, schön tönend, doch
nicht voll, in Barren,
Es ward in schöne Glockenform
gegossen,
Da klang es erst in herrlichem
Geläute.
1787 – 1862
Die Stelle, wo ich auf
verschlungnen Wegen
Begegnete dem wunderschönen
Kinde,
Das, leicht vorübereilend mit
dem Winde,
Mir spendete des holden
Blickes Segen:
Wohl möcht’ ich jene Stelle
liebend hegen,
Dort Zeichen graben in des
Baumes Rinde,
Mich schmücken mit der Blumen
Angebinde,
Zu Träumen mich in kühle
Schatten legen.
Doch so verwirrte mich des
Blickes Helle,
Und so geblendet blieb ich von
dem Bilde,
Daß lang ich wie ein Trunkner
mußte wanken;
Und nun mit allem Streben der
Gedanken,
Sowie mit allem Suchen im
Gefilde,
Nicht mehr erforschen kann die teure Stelle.
1787 – 1862
Zwo Jungfraun sah ich auf dem
Hügel droben,
Gleich lieblich von Gesicht,
von zartem Baue;
Sie blicken in die abendlichen
Gaue,
Sie saßen traut und
schwesterlich verwoben.
Die eine hielt den rechten Arm
erhoben,
Hindeutend auf Gebirg und
Strom und Aue;
Die andre hielt, damit sie
besser schaue,
Die linke Hand der Sonne
vorgeschoben.
Kein Wunder, daß Verlangen
mich bestrickte
Und daß in mir der süße Wunsch
erglühte:
„O säß ich doch an einer Platz
von beiden!“
Doch wie ich länger nach den Trauten
blicke,
Gedacht’ ich im besänftigten
Gemüte:
„Nein, wahrlich, Sünde wär’
es, sie zu scheiden.“